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Der Schutz der Wälder 

Der Schutz der Wälder 

Hans Carl von Carlowitz (1645-1714) führte als kursächsischer Kammer- und Bergrat den Begriff der Nachhaltigkeit in forstwirtschaftlichen Fragen ein.

Mancher Zeitgenosse glaubt, der Schutz der Wälder sei ein Thema aus der jüngeren Geschichte. Doch weit, weit gefehlt …
„Die großen Wälder verschwinden von der Erde. In allen Ländern hilft man gar nicht der Natur,“ beklagte 1776 Landgraf Friedrich II.; zwar gebe es viele vernünftige Verordnungen, doch sei ihre Umsetzung nachlässig. Den Bäumen ließe man nur die steilen Berghänge, und die nährstoffreiche Erde werde nach und nach vom Regen weggespült.

Waldzerstörung hatte damals allerdings viele Ursachen: Holz nutzte man für Möbel, Wagen, Fässer und viele andere Alltagsgegenstände – vor allem aber als Brennstoff, als Baumaterial und als Grubenholz im Bergbau.

So war es 1713 auch der sächsische Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz, der den Begriff der Nachhaltigkeit begründete: nur so viel zu entnehmen, wie problemlos nachwachsen kann – nicht von der Substanz zu leben, sondern nur von den Zinsen. Immerhin waren die sächsischen Wälder wegen des Bergbaus in so desolatem Zustand, dass eine Energie- und Wirtschaftskrise drohte – und in vielen anderen Ländern sah es nicht besser aus. Mancherorts kam auch noch der Schiffsbau dazu, der schon in der Antike ganze Mittelmeerlandschaften entwaldet hatte.

Die Zerstörung der Umwelt wurde um 1700 also bereits als existenzielle Bedrohung gesehen; von Carlowitz erkannte aber auch, dass die Forstwirtschaft allein nur wenig bewirken konnte – das Problem musste volkswirtschaftlich gelöst werden. So gingen auch die hessischen Landgrafen gezielt gegen die Ursachen der Waldverluste vor, schon seit dem 16. Jh.

Ein erstes hessisches Forstschutzgesetz erließ schon Landgraf Philipp am 3. April 1532.

Damit reagierte er auf den alarmierenden Zustand der Wälder und Gehölze. Übermäßiges und unnötiges Bauen in den Städten und Dörfern würde sie fast verwüsten und veröden. Daher wurde die Abgabe von Bauholz normiert: 20 Stämme Eichenholz für ein Bauernhaus, 15 für eine Scheune, 5 für einen Stall – darüber hinaus wurde nur krumm gewachsenes Holz abgegeben. Eine örtliche Bauaufsicht sollte prüfen: War ein Neubau überhaupt nötig? Ließ sich das alte Haus noch instand setzen oder zumindest das Holz wiederverwenden? Auch andere Holzentnahmen wurden reglementiert, junge Bäume geschützt. Rodungen mussten vom Oberförster genehmigt werden – aber das Ziel war, sie ganz zu vermeiden: Mist und Dung sollten die bestehenden Äcker fruchtbar halten.

Doch schon 1541 und 1553 sah man sich gezwungen, die Verordnung nachzubessern. Die Preise für Bauholz wurden für reichere Bauherren angehoben, und die zentrale Rolle der Bauaufsicht wurde seit dem späten 17. Jh. immer weiter ausgebaut.

Wegen maßloser Abholzungen fand sogar ein profitables Exportgut sein Ende: Hessische Waldglashütten konkurrierten im 16. Jh. immerhin mit Glas aus Böhmen und Lothringen. Zunächst hatten die Landgrafen das Gewerbe gefördert, zumal es Einnahmen aus ungenutzten Waldflächen brachte – vor allem im Kaufunger Wald und im Reinhardswald. Doch die enormen Waldverluste von mehreren Quadratkilometern pro Jahr führten bald zu einem Umdenken. Schon 1551 wurde die Produktion eingeschränkt; eine Umstellung auf Braunkohlenfeuerung setzte sich um 1585 nicht durch, und so kam in den 1590er Jahren das Aus für weitere Hütten. Statt des grünlichen Waldglases setzte Landgraf Moritz nun auf ortsgebundene Weißglashütten – die dafür sorgen mussten, dass auf ihren abgeholzten Flächen der Wald wieder nachwachsen konnte.


Eine Glashütte aus dem 16. Jh.

© commons.wikimedia.org/wiki/File:Glass_blowing,_Agricola,_De_re_metallica._16th_C_Wellcome_M0011853.jpg

Nachdem die hessischen Wälder im Siebenjährigen Krieg (1756–63) stark gelitten hatten, befürchtete man sogar, bald gar kein Eichenholz mehr zu haben. Friedrich II. versuchte deshalb 1766, die Steinbauweise nach Möglichkeit durchzusetzen – wegen der höheren Kosten aber vielfach ohne Erfolg. 1782 schrieb er Tannenholz für Dachstühle und Innenausbau vor und führte normierte Standards im Holzbau ein: zum einen sollte der Verbrauch auf das konstruktiv Notwendige beschränkt werden, zum anderen sollten die Häuser dauerhafter, standfester und damit weniger reparaturanfällig werden. 1825 propagierte man Lehmziegel als Baumaterial, und nach 1850 setzten sich Backsteine zunehmend durch.

Als die deutsche Romantik im frühen 19. Jh. den Wald als Sehnsuchtsort entdeckte, als Gegenpol zur Zivilisation – da stand dem eine ganz andere Realität gegenüber: ausgedünnte Forste für den Holzbedarf, zum Teil lichte Hutewälder für Schweine und Rinder, Jagdgebiete, in manchen Regionen Bergbau (auch im Habichtswald) und Metallverhüttung. Auch die Märchen, die die Brüder Grimm sammelten und veröffentlichten, hatten damit wenig zu tun: Die meisten Wälder dort sind archaisch, verwunschen – Orte der Angst, Bewährung und Reifung. Man kann sich verlaufen, trifft Räuber, Riesen, Hexen, wilde Tiere, verwunschene Menschen, Ausgestoßene – umso mehr, je größer, dichter und finsterer der Wald ist. Auch im Verständnis der Brüder Grimm waren diese Wälder daher ein poetisches Bild einer längst vergangenen Vorzeit oder Ritterzeit.

In der Industrialisierung ersetzte man viele der heimischen Buchen- und Eichenmischbestände durch schnellwachsendes Nadelholz – das zunehmend auch das Eichenholz als Bauholz verdrängte. Flächen wurden aufgeforstet – so ist auch das Hohe Gras heute nur noch ein Name. Die Bedrohungen für den Wald sind andere geworden. Doch der Gedanke der Nachhaltigkeit hat nichts an Aktualität verloren.