Now Reading
Ein Maskottchen und wer drin steckt

Ein Maskottchen und wer drin steckt

Zuletzt, sagt Timo Martinez, kommen die Handschuhe. Sind die angezogen, geht es aufs Eis. Immer. Sogar in den Pandemie-Zeiten, als keine Zuschauer in der 6100 Personen fassenden Kasseler Eissporthalle bei den Spielen des Zweitligisten Kassel Huskies zugelassen waren. 

Herkules, so der Name des zotteligen Burschen, machte seine Faxen. Auch vor dem Heuboden, wo auf den Stehrängen die treuesten Fans normalerweise versammelt sind und auch bei einem aussichtslosen Rückstand noch singen „Huskies geben niemals auf!“

Macht Herkules eben auch nicht. Und Timo Martinez erst recht nicht. In diesem Jahr ist er 20 Jahre im ehrenamtlichen Dienst als Maskottchen. Warum er auch vor leeren Rängen seine Show geboten hat?

„Das hat was mit Aberglaube zu tun. Ich mache ja immer dieselben Dinge – und genau die habe ich mal gemacht, als die Huskies dann ein wichtiges Spiel gewonnen haben.“ Was man mitbringen muss zum Maskottchen-Job? Auf jeden Fall ’ne gute Konstitution. Denn im Herkules-Gewand herrschen Saunatemperaturen. 

Timo Martinez spürt schon, dass mit dem Überstreifen des etwa 4000 Euro teuren Kostüms sich mit ihm manches verändert.
Faxen machen, herumkaspern – das falle dann leicht, weil man ja nicht erkannt werde.

Beruflich ist er bei der Bundespolizei – Herkules also wahrscheinlich das einzige Maskottchen im Lande, das einen Sheriffstern tragen dürfte. Bildlich gesprochen. Die Frage ist dann nur noch, wie man sich als Maskottchen bewirbt. Brauchte Martinez nicht. 2001 war seine damalige Partnerin Moni der Mensch hinter bzw. im Maskottchen. Moni erwartete ihr gemeinsames Kind und brauchte eine Maskottchen-Pause. Timo sprang ein – und bis 2013 betrieben die Eltern dann Job-Sharing auf dem Eis. Seitdem ist Timo dauerhaft Herkules – und umgekehrt.

Ehrenamt also. Mindestens 26-mal im Jahr bei den Heimspielen, Playoffs excluded. Ein Abendessen gibt es vorweg, ein Getränk danach. Und einen Parkplatz in der Nähe – damit man das schwere Kostüm nicht so weit zur Halle schleppen muss. Der Lohn an sich ist die Begeisterung der Fans. Und manchmal, ganz manchmal kommt auch Stolz dazu. Wenn man im Playoff-Finale mit den Spielern auf dem Eis steht und die Nationalhymne hört. 

Timo Martinez hofft, dass das in der neuen Saison wieder passiert. Wenn die Huskies, was jetzt schon feststeht, auch nicht aufsteigen können.

… dann bin ich ein anderer

Emanuel Katzor alias Totti
© Harry Soremski

„Totti“ – auch Nicht-Einheimische ahnen, dass dies alles andere als ein nordhessischer Begriff ist. Dennoch heißt das Maskottchen des KSV Hessen Kassel so.


Emanuel Katzor ist der Mann, der im Kostüm streckt. Und er kann natürlich auch sagen, was es mit dem Namen auf sich hat. „Totti“ war der Spitzname der KSV-Legende Thorsten Bauer: mit 298 Einsätzen und 161 Toren Rekordspieler des Vereins. Weshalb sie ihn bei den Fans „Fußballgott“ nannten. Oder eben „Totti“. Was kuscheliger klingt.


Und Totti ist ein vergleichsweise junges Maskottchen. Ein paar Mal hatte Emanuel Katzor schon vorher den Versuch gestartet, bei den Vereins-Verantwortlichen ein Maskottchen durchzusetzen. Das gelang dann 2017. Seitdem gibt der 50-jährige Katzor, der von Beruf Rettungssanitäter bei der Johanniter-Unfallhilfe ist, mit zwei anderen Kumpels im Auestadion Totti.


Wenn man das Kostüm angezogen hat und ins Stadion geht, dann „bin ich ein anderer Mann.“ Nur ein kleiner Kreis Vertrauter weiß, dass er der Stimmungsmacher im weiten Rund der Arena ist. Und das nutzt er aus – „wenn man Maskottchen ist, dann darf man fast alles, niemand nimmt es einem übel.“ Es sei gerade so, als sei man eine zweite Person.


Er hat kein spezielles Programm, das er bei den Heimspielen abspult. „Ich mache das situationsbedingt“ – und da kommt dann auch mal eine selbst gebaute Leiter zum Einsatz, damit er am Zaun zu den Fans hochklettern kann.


Die mögen das. Und er mag die Fans. Die gegenseitige Beziehung im Stadion endete aber abrupt bei den Geisterspielen ohne Zuschauer. Was aber macht ein Maskottchen im leeren Auestadion? Emanuel Katzor hatte eine Idee: Nach Absprache mit den Schiedsrichtern hielt er sich beim gegnerischen Gehäuse auf – und wenn die Löwen ein Tor erzielt hatten, dann hielt es ihn nicht mehr auf seinem Platz, er stürzte sich ins Getümmel der jubelnden Spieler und jubelte einfach mit. Auf dem Rasen. Womit jetzt wieder Schluss ist. Totti jubelt jetzt draußen. Dafür aber wieder mit den Fans.


Katzor ist ehrenamtlich für die DKMS (ehemals Deutsche Knochenmarkspenderdatei) aktiv und stets auf der Suche nach Vereinen und Organisationen, die beispielsweise über Videos auf ihrer Webseite die Organisation unterstützen. Anschauen kann man sich das alles auf der Homepage des KSV – und Totti fände es super, wenn möglichst viele Vereine diesem Beispiel folgen würden. Denn an Leukämie erkrankte Menschen zu unterstützen – das ist sein großer Wunsch.

Maskottchen sollen nicht sprechen

Christoph Luckhard alias Winnie
© Harry Soremski

Wenn es nach Winfried Aufenanger gegangen wäre, dann wäre das Kasseler Marathon-Maskottchen ein Frosch geworden. Aber der Mann, der sozusagen der „Vater“ des Kassel-Marathon ist, wurde einfach überstimmt. Aufi nahm es gelassen, er steckt ja auch nie selbst im Kostüm.

Damit nicht genug: Das auffällige Emu, das auch abseits des Marathons bei verschiedenen Veranstaltungen für Stimmung sorgt, wurde „Winnie“ genannt. Wer da wohl Namenspate war?

Christoph Luckhard (41) ist einer von jenen, die dem pusseligen Kostüm zu Leben verhelfen. Manchmal sind es auch Mitarbeiter der EAM, in deren Gebäude die AS Event GmbH als Marathon-Organisator ihre Büros hat. Der Job im Emu ist jedenfalls sehr begehrt.

Liegt wohl auch daran, dass man eigentlich nur positive Erfahrungen macht, sagt Luckhard. Die Menschen begegnen einem fröhlich, die Kinder freuen sich. Man klatscht Menschen ab (vor Corona), schüttelt Hände (auch vor Corona), Selfies werden gemacht – Winnie ist in der Marathonszene längst bekannt.

Wobei der Job ein bisschen anders aussieht als bei den Kollegen in Stadion und Eishalle: Die können sich in einer geschlossenen Arena austoben, Luckhard muss Kilometer schrubben. Wobei er sich nicht an eine Regel hält, von der er aber nur gehört hat: Maskottchen sollen nicht sprechen, meint er. Ist Luckhard im Kostüm, dann quatscht Winnie auch. Wäre ja auch komisch, jeder der das Namensvorbild kennt, weiß, dass Mr. Marathon ein kommunikativer Mensch ist.

Geschaffen hat das Kostüm die Kasseler Korsettmacherin Michaela Kirchberger. Unterm Strich sind alle hochzufrieden mit dem Emu. Eine kleine Veränderung hat es dennoch gegeben: Beim Zissel im Jahr 2017 hatte Luckhard bei der Hitze im Kostüm ganz schön zu schwitzen. Jetzt hat man ein Loch ins Kostüm gebohrt, nicht sichtbar. Aber so kann der Mensch im Emu jetzt wenigstens was trinken.