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Mut: Lebensbilder

Mut: Lebensbilder

Mut ist ein fester Bestandteil in jedem Lebensplan. Denn, wenn man  genauer nachdenkt: Für viele Dinge im Alltag braucht man eine gewisse Portion davon – Radfahren in der Stadt erfordert Mut, genau wie so mancher Job. „Mein Kassel“ hat verschiedene Menschen getroffen, deren Leben mit einer besonderen Form von Mut verbunden ist. Die Mini-Porträts lesen Sie auf den nächsten Seiten.

Polizeihund Ace

© Harry Soremski


5.Mai 2021. Im Deutsche-Bank-Park in Frankfurt hat Eintracht Frankfurt durch ein 1:0 gegen West Ham United den Einzug ins Finale der Europa League klar gemacht. Die freudetrunkenen Frankfurter Fans stürmen die Innenfläche, fluten den Rasen zu Tausenden. Was tun, wenn jetzt die englischen Fans ebenfalls über die Zäune klettern? Das muss verhindert werden. Und dazu ist Ace vor Ort. Mit seinem Hundeführer Martin Doßmann. Zusammen mit einigen wenigen anderen Kollegen, ebenfalls mit Diensthunden, reihen sie sich vor den englischen Fans auf. Der Lärm ist ohrenbetäubend, eine echte Stresssituation für den vierjährigen Hund, ein Malinois. Doßmann und die Kollegen, verstärkt durch ungezählte ohne Hund, behalten die Situation im Griff. Aber es war ein Tag, an dem sich das jahrelange intensive Training ausgezahlt hat. Zehn Hunde und genauso viele Hundeführer zählt die Diensthundestaffel der Polizeidirektion Kassel, die beim Präsidium am Kulturbahnhof angedockt ist. Hundeführer zu sein, dass heißt: Der Hund ist eben nicht nur im Dienst an der Seite des Menschen, er lebt auch mit dem Hundeführer und seiner Familie zusammen. Und natürlich muss man mit dem Hund außerhalb der Dienstzeiten auch mal Gassi gehen. „Diensthund macht einsam,“ sagt Meike Dossmann. Denn auf die normale Hundewiese zum Spielen, das gehe eben nicht. Polizeihunde müssen anders beschäftigt werden. Dazu zählt dann eben auch das wöchentliche Training auf dem Gelände in Oberzwehren. Mittlerweile gibt es regelrechte Spezialisten unter den Tieren: Manche konzentrieren sich auf Sprengstoffsuche, andere auf Rauschgift, Geld. Und der Hund Tess von Meike Doßmann geht demnächst auf Ausbildung. Die Hündin wird Spürhund für Datenträger. Für Carsten Schirmer und Michael Dörbaum, die die kleine Gruppe leiten, ist das Ganze natürlich auch ein Beruf mit Zukunft. „Interessenten können sich gern melden,“ lautet die Werbebotschaft. Ein nicht ganz ernstgemeintes, humorvolles, fiktives Interview mit Ace (vier Jahre, Polizeihund, Malinois) Wir treffen Ace entspannt auf dem Rasen liegend, ein Knöchelchen in Arbeit.

Mein Kassel: Hallo Ace, wie geht es Dir denn? Wirkst ja ganz entspannt!
Ace: Sind wir per Du?

Bisher nicht, aber ich bin ja der Ältere …
Sieht man. (Kaut weiter)

Okay. Botschaft angekommen. Wie war das Training heute?
Super. Ich bin körperlich einfach besser drauf als Martin (Hundeführer Martin Doßmann, die Red.).

Bist ja auch jünger.
Und fitter. Aber Du siehst ja, ich ernähre mich auch besser. (Kaut weiter und streckt sich)

Hast Du denn manchmal Angst, wenn Du im Einsatz bist?
Ne. Angst nicht. Aber manchmal isses ungewohnt.

Wie meinst Du das?
Naja, bei diesem komischen Zirkus da in Frankfurt, da hätte ich gern den Ball gejagt. Musste aber alszus (Ace ist Nordhesse!) die Leute im Käfig beobachten.

Im Käfig?
Naja, da hinter dem Zaun. War ganz schön laut. Und ich habe die auch gar nicht verstanden.

Naja, das waren Engländer, die haben Englisch gesprochen.
Hat Martin auch gesagt. Ich kann allerdings auch englisch bellen.

Wie bitte?
Naja, weil ich englisch gebellt habe, sind die ja alle hinterm Zaun geblieben.

Das leuchtet ein. Kannst Du denn auch französisch bellen?
Wenn ich will, kann ich alles. Ich bin Polizeihund. Super. 

Kann ich Dir noch was Gutes tun?
Japp.

Was denn?
Mich in Ruhe meinen Knochen kauen lassen. Tschüss!

Florian Carl

© Harry Soremski

In Brösels Werner-Comics gab es mal einen Spruch, der über lange Zeit zum allgemeinen Sprüche-Standard gehörte: „Ein Taucher, der nich taucht, taucht nix.“ Was irgendwie dennoch wahr ist, denn die Taucher der Berufsfeuerwehr Kassel müssen in Übung bleiben, um für die eher wenigen Ernstfälle im Jahr gerüstet zu sein. „Mein Kassel“ war beim Training dabei. Es war ein halbwegs sonniger Tag im September, die Wassertemperatur betrug nach den Regenfällen der vergangenen Tage zehn Grad. Kein Problem für Florian Carl, eine 40-minütige Einheit ist da schon drin, meint er. Der 34-Jährige, der in Dörnberg lebt, aber aus Kassel stammt, ist seit 2021 einer der rund 30 Taucher, die bei der Feuerwehr die Ausbildung absolviert haben. Zehn bis 15 Einsätze kommen im Jahr etwa zusammen – derzeit finden die Taucher bei der Absuche des Fulda-Flussbetts schon mal E-Roller, die dort entsorgt werden. Aber es kann auch gefährlicher werden wie in diesem Sommer, als am Grund des Flusses eine Brandbombe aus dem Zweiten Weltkrieg entdeckt wurde. Davon, so geht man bei der Feuerwehr aus, gibt es garantiert noch jede Menge. Die Taucher selbst haben bei der Feuerwehr auch andere Aufgaben – nur dann, wenn sie angefordert werden, müssen sie ins Wasser. Und der Dienstplan muss dann für diesen Fall geändert werden. Florian Carl jedenfalls hat die Ausbildung in Sachen Tauchen schon angefixt. Ob das Tauchen auch sein Hobby ist? „Jetzt ja!“, sagt er und grinst.

Angelika Pfaar

© Milan Soremski

Angelina Pfaar sorgte mal hessenweit für Schlagzeilen: Vor 22 Jahren war das, da fing sie bei den Stadtreinigern an und war im ganzen Bundesland die erste Frau, die einen Müllwagen fahren durfte. Mittlerweile, sagt sie, sei es normal, dass Frauen die orangenen Fahrzeuge steuern. Damals, da gab es noch schräge Blicke der männlichen Kollegenschaft, die sich – immerhin im Jahr 2000 und nicht 1950 – nicht mit der Tatsache abfinden konnte. Angelina Pfaar wurde 1980 in Kassel geboren, machte bei der Autobahnmeisterei Gudensberg eine Ausbildung zur Straßenwärterin inklusive Lkw-Führerschein – bis es sie dann eben zu den Stadtreinigern verschlug. Spaß mache vor allem die Arbeit im Team – wobei die anderen, die hinten auf dem Trittbrett stehen, ihr bei manchen Wetterlagen schon ein wenig leidtun. Mittlerweile wohnt Angelina Pfaar mit ihrem Mann in Wolfhagen. Ihr gemeinsames Hobby sind Tiere. Vier Pferde betreut das Paar unter anderem. Auch privat geht es also um Pferdestärken.

Sarah Kobeissi

© Milan Soremski

So manche Sportkarriere  verläuft im Verborgenen. Was besonders dann nicht fair und angemessen ist, wenn sich Erfolge damit verknüpfen. So wie bei Sarah Kobeissi. Weshalb „Mein Kassel“ das mit dem Verborgenen mal beenden möchte. Denn Sarah (Jahrgang 2002) ist mit ihren 20 Jahren Deutsche Meisterin im Kickboxen in der Gewichtsklasse unter 60 kg. Den Titel holte sie sich im Juni in Kassel – es war der dritte Sieg im dritten Profikampf der jungen Frau, die in Kassel geboren wurde und aufgewachsen ist, aber libanesische Wurzeln hat. Kickboxen betreibt sie seit sechs Jahren – trainiert bei Kassels Kickbox-Legende Marinko Neimarevic und startet für dessen Phoenix-Sportakademie-Team. Leben kann Sarah als Profi noch nicht von den Gagen, macht deshalb eine Ausbildung zur Sport- und Fitnesskauffrau. Wo? Na klar, in der Phoenix-Sportakademie. Mut braucht man natürlich beim Kickboxen – schon dann, wenn man sich für diesen Kampfsport entscheidet und dann zum ersten Mal in den Ring steigt. Angst gehört auch dazu oder Respekt vor dem Gegner. Gefühle, die verfliegen, wenn man im Ring steht und auf das Duell mit der Gegnerin fixiert ist. Was bei Sarah offenbar bestens funktioniert – k.o. gegangen ist sie bisher nicht in ihren Fights. Das soll auch so bleiben, beziehungsweise: Die weiße Weste als Profi soll weiß bleiben. Im November, meint sie, steht der nächste Kampf an. Das genaue Datum steht noch nicht fest –  wer wissen möchte, wo man Sarah zuschauen und sie anfeuern kann, kann sich hier aktuell informieren: Phoenix Sport Akademie