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Sein Licht wird nicht ausgehen

Sein Licht wird nicht ausgehen

Kasseler DJ Legende Bernd Kuchinke gestorben

(Kassel-Waldau). Die Nachricht verbreitete sich trotz Nachtzeit und Wochenende wie ein Lauffeuer: Nach kurzer, schwerer Krankheit, verstarb am späten Samstagabend DJ und Musik-Ikone Bernd Kuchinke im Alter von 66 Jahren. Seither trauert die Szene um einen der Ihren, mit dem Jeder, der irgendwann in den vergangenen ca. 35 Jahren seine Sozialisation im Kasseler Nachtleben erlebte, zwangsläufig seine Berührung hatte. Denn es gibt kaum ein Szene-Lokal mit DJ-Pult und kaum eine Diskothek, in der er nicht aufgelegt hat, ebenso bei Hochzeits- und Firmenfeiern.

Bernd Kuchinkes Kasseler Musiklaufbahn begann 1986 als er nach (vorzeitiger) Beendigung seines Studiums der Kunstgeschichte, Musikwissenschaft, Publizistik und Germanistik an den Universitäten Münster und Bielefeld nach Hause zurück kehrte. Als DJs überzeugten er und sein Bruder Frank den damaligen Betreiber der angesagten Diskothek New York so sehr, dass der ihnen die Geschäftsleitung anbot. Es war die große Zeit zweier Musikrichtungen, des US-Funk a la Prince, Alexander O‘Neal, Dennis Edwards etc. – drei seiner Lieblingsmusiker jener Ära – auf der einen, und der britischen WaveMusik von Heaven 17, The Cure, The Smiths und Weggefährten auf der anderen Seite. Kuchinke empfand Empathie für beide Gattungen, hatte aber schon damals den Vorsatz, eine Platte nicht aufzulegen, nur weil sie populär ist. Sie musste ihn schon packen, was er dann auch auf sein Publikum übertragen konnte.

Nachdem das New York verkauft wurde, fasste Kuchinke Fuß in der aufkeimenden Factory-Szene mit den ersten Techno-Beats, aus der in der Folge der Aufschwung Ost hervorging. Einmal mehr erwies er sich als musikalischer Wegbereiter für eine neue Ausgeh-Generation.

Seinen 80‘s Bands und ihrem Sound blieb er auch treu, als diese nicht mehr so sehr im Fokus standen. Er gründete ein eigenes Label, Electric Romeo Records, auf dem er Stücke befreundeter Kollegen aus dem In- und Ausland, aber auch eigene Tracks veröffentlichte. Seit der documenta X produzierte er zu jeder Weltkunstausstellung einen kleinen Soundtrack in mehreren Remixen. Die documenta fifteen eröffnete er mit einem Set auf dem Friedrichsplatz.

Drogengeschichten und andere Exzesse gab es bei Bernd Kuchinke nie. Er gab gerne zu, dass Auflegen bis morgens vier oder fünf Uhr ganz schön anstrengend sein kann. Doch die „Mission 80‘s“ lief immer weiter. Er produzierte mit seinen Freunden Markus Raabe und Stefan Heil Sendungen zum Thema im Offenen Kanal und platzierte seine DJ Koffer in all den Jahren im Theaterstübchen, Hot Legs, Club 22, Frau Tanz, Hugenottenhaus, Salzmann Exil, Goldgrube, Lolita Bar… die Liste ist lang und noch länger die Liste jener Menschen, die er mit seinen Erzählungen zu den Songs und seinem Engagement erfreuen und musikalisch prägen konnte -immer nah am Menschen, nie arrogant oder belehrend.

Sein Lieblingslied war „There‘s a light that never goes out“ von The Smiths. Das trifft, denn das musikalische Licht, das er hinterlässt, wird immer weiter leuchten.