Die expandierende Glücksindustrie verspricht den Konsumenten ihrer Waren – Glücksratgeber, Coachings, systematische Beratung, Arzneimittel, Produkte zur Körper-Optimierung, Tourismus und Erlebnismarketing – glücksbringende Erlebnisse und ein glückendes Leben. „Jeder ist seines Glückes Schmied“, lautet ihre Botschaft, wer diese Angebote nicht zu nutzen weiß, ist selber schuld an seinem Unglück – welch eine Verbiegung des allen Menschen innewohnenden Verlangens nach Glück, Hochgefühl, nach Momenten einer unsere ganze Person umgreifenden Harmonie mit sich selbst und seiner Welt.
Doch wie alle Gefühle entzieht sich auch das Glücksgefühl jeder sicheren Kontrolle und Planbarkeit. Da hat man sich zigmal mit einem Freund getroffen und dann ein unerwarteter Augenblick des tiefen Glücks, eines jähen Bewusstseins von Zusammengehörigkeit. Auf der Landstraße kann ich einem entgegenkommenden Fahrzeug in letzter Sekunde ausweichen. Nach einem ersten Schreck ergreift mich ein unsagbares Glücksgefühl, mir wird bewusst, welch ein Glück es ist zu leben. Wenn uns Dinge gelingen, die wir nicht für möglich gehalten hätten, überwältigt uns schon mal ein Glücksempfinden, das uns erfahren lässt, dass wir über uns hinauswachsen können.
Was können wir tun, um unserem Glücksverlangen auch in einer Welt voller Gefahren, flüchtiger Angebote, Ablenkungen und Erlebnisräusche eine Chance zu geben? Ein Schritt dahin wäre eine Konzentration auf den Augenblick, ein Moment des Innehaltens im Strom unseres Getriebenseins. Damit schafften wir einen Raum, in dem die gelingenden Momente unseres Alltags sich in ein Körper und Geist umfassendes Glücksgefühl verwandeln können. Zum Jahresanfang vielleicht kein schlechter Vorsatz.
Ernst-Dieter Lantermann war bis 2013 Professor für Persönlichkeits- und Sozialpsychologie an der Universität Kassel