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Neue Architektur: Offene Schule Waldau, die Schule der Zukunft

Neue Architektur: Offene Schule Waldau, die Schule der Zukunft

Die Schule kennt vom Namen her vermutlich jeder in Kassel – aber was steckt hinter dem Begriff? Die OSW ist eine integrierte Gesamtschule, reformpädagogisch orientiert und Versuchsschule des Landes Hessen. Sie verfolgt den Anspruch, jedes Kind gemäß seinen Fähigkeiten zu fördern und zu fordern.

Die Versuchsschule entwickelt und evaluiert die Arbeit stetig weiter (Kooperation mit der Universität Kassel). Die Abschlusszahlen zeigen, wie erfolgreich das Konzept ist. Im Schuljahr 19/20 haben 71 Prozent der Schülerinnen und Schüler des Jahrgangs 10 die Qualifikation für den Besuch einer Oberstufe erhalten.

Die Schülerinnen und Schüler der Abschlussklassen der nächsten drei Jahre der Offenen Schule Waldau haben allen Grund, sich mächtig zu ärgern: Denn sie werden keinen Unterricht mehr erleben im neuen Schulgebäude. Was an einem Schulgebäude so toll sein soll? Peter Ley, Geschäftsführer der städtischen Wohnungsbaugesellschaft GWG und deren Tochtergesellschaft GWG Pro, weiß das ziemlich genau: Der Neubau der Schule im Kasseler Stadtteil Waldau wird ein Pilotprojekt für die Schularchitektur der Zukunft sein, „eine Schule, über die man mindestens bundesweit sprechen wird.“

Über die OSW spricht man schon lange weit außerhalb der Stadtgrenzen. Dabei geht es vor allem um deren pädagogisches Konzept. Diesmal aber geht es um den Wandel in der Architektur für Schulgebäude und -anlagen.

Schule sah stets so aus, wie sie jeder kennt: Lange Gänge, links und rechts Klassenräume, spezielle Räume für bestimmte Fachgebiete, ein Schulhof, eine Sporthalle, ringsherum ein Zaun. Diesem gängigen Muster wird die OSW der Zukunft nicht entsprechen.

Eine Schule, über die man mindestens bundesweit sprechen wird.

© C.F. Møller

Die Gebäude sind in die Jahre gekommen, deshalb entschloss der Schulträger Stadt Kassel sich, neu zu bauen. Aber eben anders. In einer „Phase 0“, so Projektleiterin Michaela Jordan von der GWG Pro, wurde das pädagogische Konzept beraten und beschlossen. 

Und die Zielsetzung, was die Räume betrifft. Natürlich unter Mitwirkung von Lehrern und Schülern der OSW. Und begleitet von Jochem Schneider vom Büro Schneidermeyer (Stuttgart und Köln), einem Spezialisten für Schulbauplanung.

Heraus kam dann das, was man gern Anforderungsprofil nennt. Zeit also, mal zu schauen, was den Architekten zu diesem Profil wohl einfallen würde. Es wurde ein Wettbewerb ausgeschrieben – sechs Büros, die man unbedingt dabei haben wollte, waren gesetzt. 114 (!) bewarben sich um die Teilnahme, 14 wurden ausgewählt – und unter den 20 teilnehmenden Firmen ging ein dänisches Büro als Sieger hervor: C.F. Møller, einem mit vielen Preisen ausgezeichneten Büro mit über 90-jähriger Firmengeschichte. Das für sich auf der eigenen Homepage vor allem für die Kompetenz in nachhaltiger Planung und nachhaltigem Bauen wirbt.

Braucht man auch, wenn man die neue OSW planen und bauen will. Denn Nachhaltigkeit ist bei diesem Projekt ein Maß aller Dinge, sagt Peter Ley. Aber was heißt Nachhaltigkeit in der Schularchitektur. Ley nennt ein praktisches Beispiel: „Cradle to Cradle“ ist derzeit ein Prinzip, nach dem nicht nur beim Bauen immer mehr gearbeitet wird. Heißt auf Deutsch „Von der Wiege zur Wiege“ und bedeutet, dass Material nicht mehr entsorgt, sondern immer wieder für dasselbe Produkt verwendet werden kann. Der Neubau der OSW wird viel Holz enthalten – ein Material, bei dem man sich die Umsetzung des Prinzips gut vorstellen kann. Aber Nachhaltigkeit, so Ley, ist eben auch mehr als nur das reine Bauen: Da geht es um die Reduzierung der Belüftungssysteme, um ein Bauen, das den Energiebedarf minimiert etc.

Peter Ley
Geschäftsführer GWG Pro

© Harry Soremski

Die Schulordnung der OSW

friedlich freundlich langsam leise

„Wir wollen CO2-Neutralität,“ sagt auch Michaela Jordan. Das ist also ein Teil der Rahmenbedingungen. Aber wie sieht dann der Alltag für Schülerschar und Lehrkräfte aus? Zunächst: Nicht die komplette Schule wird neu gebaut. Es bleiben Teile erhalten. Mensa, Sporthalle – und das Ottoneum.

Ottoneum? Da war doch was? Klar. Gibt es in Kassel schon, das Naturkundemuseum. Gemeint ist hier im Kasseler Osten aber der Musikpavillon, der nach einem ehemaligen Musiklehrer benannt wurde.

 Gebaut wird auf Freiflächen neben den derzeitigen Schulgebäuden, denn der Schulbetrieb muss ja, im alten Gebäude nämlich, weiterlaufen. Møllers Entwurf hat möglicherweise auch deshalb überzeugt, weil er, anders als andere Planungen, das Schulgelände nicht mehr abschottet – es führen praktisch Wege über das, was man früher Schulhof nannte – und was nach den Plänen eher ein Stadtteilzentrum werden könnte. Macht auch Sinn, sagt Ley, denn das Jugendzentrum und die Stadtteilbibliothek sind ja im neuen Gebäude integriert. Durchlässigkeit wie auf dem Campus am Holländischen Platz – so soll es werden. Begeistert ist auch der Oberbürgermeister. Christian Geselle meint:

Der erstplatzierte Entwurf hat alles, was eine moderne Schule heute und morgen auszeichnen muss. Er ist ein besonderes Haus und macht junge Menschen stolz auf ihre Schule.

Besonders überzeugt hat dabei alle Beteiligten im Entwurf das Atrium als lichtdurchfluteter, einladender, sammelnder Eingangsbereich. Aber eben auch das Raumkonzept, gebündelte Fachbereiche, Teambereiche, Aufenthaltsareale für die Schüler – ein Traum von Schule für alle, die Schule noch als vermiefte Penne kennen.

Ein Vorhaben, das für Aufmerksamkeit sorgt. Und für Anerkennung. Peter Ley ist stolz darauf, dass eine der Montag Stiftungen, die sich im Bildungsbereich engagiert, das Vorhaben unterstützt. „Und wir haben uns gar nicht beworben, die sind auf uns zugekommen.“

Mal sehen, für wieviel Gesprächsstoff die neue OSW sorgt, wenn es irgendwann Ende 2024 losgeht mit dem Unterricht.

© C.F. Møller