Das rechte Ohr war für schon immer eine Problemzone. Bereits als Kleinkind musste er dort das erste Mal operiert werden, später hatte er TBC im Ohr, dann musste ein Tumor entfernt werden. Die Hörprobleme bekam er mit einem Hörgerät halbwegs in den Griff. 70 Prozent Hörvermögen, so schätzt der gebürtige Franzose, hatte er mit dieser Hilfe.
Ich habe mein Glück gefunden
Christophe Guerry
Bis zum 27. November 2019. Nach einem Hörsturz wurde die Welt still, zumindest für Christophe. Sein rechtes Ohr war komplett taub. „Und mein Arzt hatte mich aufgegeben“, sagt er. Christophe hatte in seiner Verzweiflung selbst recherchiert, war auf die Möglichkeit eines Cochlea-Implantats gestoßen. Einfach gesagt handelt es sich dabei um eine Hörprothese für Gehörlose. Was sich einfach anhört, funktioniert kompliziert: Das System besteht aus einem Sprachprozessor mit Mikrofon, an dem eine Sendespule mit Magnet befestigt ist. Andererseits besteht es aus dem eigentlichen Implantat: einem weiteren Magneten, einer Empfangsspule, dem Stimulator und dem Elektrodenträger mit den Stimulationselektroden. Die Elektroden werden in die Hörschnecke (Cochlea) eingesetzt. Das Ganze funktioniert über Hochfrequenzwellen.
Auf dieses Implantat sprach er den Arzt an, bei dem er 20 Jahre als Patient war. Doch der winkte ab. Christophe aber wollte eine zweite Meinung hören. Ein Arzt aus Kassel verwies ihn an Spezialisten in Hersfeld, dort bekam er einen Termin – und wurde vier Wochen später zum ersten Mal operiert, bei der folgenden zweiten Operation erhielt er das Implantat.
Und die Enttäuschung war groß. Weil die Erwartungshaltung zu hoch war. Was er hörte, waren keine klar zu definierenden Laute. „Eher so wie eine Micky Maus mit Erkältung“, meint er. Alles normal, sagte ihm die Audiologin, die ihm in den nächsten Wochen und Monaten half, das Implantat zu kalibrieren, also richtig einzustellen. Immer wieder ging es nach Hersfeld, nach und nach kam so das Hören zurück.
Seit 20 Jahren ist er in Kassel, kam nach Nordhessen der Liebe wegen. Auch Liebe ist Glück. Aber wenn der 62-Jährige jetzt davon erzählt, wie er sich in die Welt der Hörenden zurückkämpfte, wie er jetzt wieder am Leben voll teilnehmen kann – dann packt ihn die Emotion. „Das ist Glück“, sagt er.
Thomas Bockelmann
Sicher wird nicht jeder denken, dass man es am frühen Morgen als Glücksgefühl empfinden kann, ins manchmal eben auch sehr kalte Wasser des Buga-Geländes zu gehen. Für mich ist die Buga aber auch mehr, nämlich ein Gesamt-Glückswerk. Wir wohnen in der Unterneustadt, sechs Minuten sind es mit dem Fahrrad bis zu „meinem“ Platz. Oft geht es am Morgen schon vor dem Frühstück los. Und um diese Zeit kann ich in der Sonne liegen, baden, Vögel beobachten. Wenn Glück auch entsteht durch das Gefühl von Lebensqualität – hier ist das alles garantiert. Im Ensemble.
Anne Schäfer
Dass man mit 17 noch Träume hat, das hat vor über 50 Jahren schon Peggy March gesungen. Träumen vom Glück kann dann verschiedene Dinge beinhalten – aber Anne Schäfers Traum, der im Mai 2021 wahr wurde, der ist schon ein ungewöhnlicher. Sie legte ihr Geld zusammen und kaufte sich ein Kälbchen. 99,9999 Prozent der Jugendlichen in ihrem Alter in der Region hätten andere Dinge ganz oben auf dem Wunschzettel stehen. Ein bisschen liegt das Landwirtschaftliche in der Familie, die einige Kühe, Schweine und zwei Pferde ihr Eigen nennt. Nun steht das Kälbchen, das bisher noch keinen Namen hat, zusammen mit den anderen Kühen auf einer Weide bei Vollmarshausen. Die Familie fand den Entschluss Annes prima – und auch im Freundeskreis war niemand verwundert über die ungewöhnliche Anschaffung. Ach so: Das noch namenlose Kälbchen war gar nicht so teuer, wie man sich das als Laie vorstellt. Zwischen 500 und 600 Euro hat die 17-Jährige für ihr kleines Glück auf vier Beinen hingeblättert.
Nicole Keim
Für Nicole Keim gibt es in ihrem Berufsleben viele glückliche Momente. Sie ist Lokführerin – und so mancher hat das, was sie erlebt, vielleicht in Videos oder im TV gesehen. Wenn man beim Blick aus dem Führerstand die schönsten Landschaften an sich vorbeiziehen sieht, in allen Jahreszeiten, mal im hellsten Sonnenlicht, mal winterlich mit frostigem Pelz. Die Kasselerin ist angestellt bei der RegioTram Gesellschaft mbH, kann mit ihrer Qualifikation auch andere Zugarten fahren wie Güterzüge – und ist vorzugsweise auf den Strecken nach Melsungen, Hofgeismar und Wolfhagen anzutreffen. Dass man auch mal unregelmäßige Arbeitszeiten hat, auch mal sehr früh aufstehen muss – kein Problem. „Das weiß man, wenn man diesen Beruf ergreift“, sagt sie.
Christian Heckmann
Glück – das ist für Christian Heckmann das, was er mit dem gesamten Team im Impfzentrum Calden bewirkt. Denn wer geimpft ist, der lebt sicherer in diesen Corona-Zeiten mit immer neuen Virus-Mutationen. Wer geimpft ist, sagt er, der wird nicht an Corona sterben. Die Impfung verschone vor schweren Verläufen, man müsse nicht ins Krankenhaus – unterm Strich komme all dies der gesamten Gesellschaft zugute. Christian Heckmann leitet die Apotheke im Impfzentrum, kommt ursprünglich aus dem Thüringer Wald und ist sozusagen zum Impfzentrum abgeordnet von der Kasseler Post-Apotheke in der Friedrich-Ebert-Straße. Der Job im Impfzentrum bedeute viel Arbeit und auch wenig Schlaf. Mit Blick auf das Ergebnis aber, von dem die Gesellschaft wie jeder geimpfte Einzelne profitiere, sei das ein Aufwand, der sich mehr als lohne.
Katharina Fuchs
Schornsteinfeger gelten als Glücksbringer. Aber warum eigentlich? Ganz einfach: Bereits im Mittelalter waren Schornsteinfeger unterwegs und reinigten Schornsteine. War die Arbeit erledigt, konnte gekocht und geheizt werden – der Schornsteinfeger brachte also auf diese Art Glück ins Haus.
Für Katharina Fuchs ist es aber nicht nur ein Beruf, der Glück bringt – es ist auch ein Beruf, der glücklich macht. Die 16-Jährige ist im ersten Lehrjahr. Bisherige Erfahrung: „Man ist überall willkommen, ständig an der frischen Luft, die Aussicht auf den Dächern ist wunderschön.“ Sie lernt den Beruf im Betrieb ihres Vaters in Guxhagen. Und auch der Opa und der Uropa waren schon Schornsteinfeger. So wird jetzt die Familientradition fortgesetzt.
Überrascht war in ihrem Freundeskreis niemand so richtig, dass Katharina Schornsteinfegerin werden wollte. „Das fanden alle eigentlich ganz schön“, sagt sie. Und es sind landesweit gar nicht so wenige junge Menschen, die das Leben als Glücksbringer interessiert: In ihrem Lehrjahr sind es etwa 40, die diese Ausbildung gewählt haben.
Was man mitbringen muss, wenn man anderen Leuten aufs Dach steigen will? Schwindelfrei muss man natürlich sein, sagt sie, Freude an der Begegnung mit Menschen haben, das Leben an der frischen Luft mögen. Und Mathe- und Physikkenntnisse schaden auch nicht.
Zeit für andere Dinge bleiben der jungen Schornsteinfegerin in Ausbildung natürlich auch noch. Davon wiederum profitiert die Jugendfeuerwehr Guxhagen. Und da schließt sich ja irgendwie der Kreis: Wenn man mal kein Glück hat, weil es brennt, dann ist es ein Glück, wenn die Feuerwehr schnell da ist.