Now Reading
Weltkunst in Kassel – Tauba Auerbach im Fridericianum

Weltkunst in Kassel – Tauba Auerbach im Fridericianum

(Kassel-Mitte). Direktor Moritz Wesseler ist es erneut gelungen, mit der in New York lebenden und arbeitenden kalifornischen Künstlerin Tauba Auerbach eine der aktuell wichtigsten und begehrtesten Personen der internationalen Kunstwelt nach Kassel zu holen. Ihre Ausstellung, der Begriff „Kunstschau“ wäre wohl angebrachter, wird vom 15. Juli bis zum 14. Januar 2024 im Fridericianum zu sehen sein.

Arbeiten an der Schnittstelle von Wissenschaft, Technologie und Kunst

Es ist die erste große Einzelausstellung von Tauba Auerbach in Deutschland, die, auch das ein Zeichen der Wertschätzung, das gesamte Fridericianum ‚bespielt‘. Der Eröffnung voraus geht am Freitagabend, 14. Juli, um 18 Uhr eine Vernissage für Kinder (6 bis 12 J.), in der Perlen, Buchstaben und geometrische Formen eine wichtige Rolle spielen. Womit wir auch bei zentralen Themen der künstlerischen Arbeit von Tauba Auerbach wären, die sich mit Mathematik, der Theorie der vierten Dimension und sorgfältig ausgearbeiteten Mustern beschäftigt und versucht, damit die Welt zu erforschen.

Das klingt zunächst sehr theoretisch, doch betrachtet man die Exponate in so verschiedenen Disziplinen wie Malerei, Weberei, Glasskulptur, Fotografie, Video und Kalligraphie, erfährt man Werk für Werk, dass sie auf reiner und teilweise sogar extrem präziser handwerklicher Arbeit beruhen.

Die Diagonal Press Library

Blick in die „Diagonal Press Library“

Dies gilt auch für den zweiten Teil der Ausstellung, der „Diagonal Press Library“, im unteren Geschoss des Fridericianum. Diese „Library“ wurde vor zehn Jahren von Tauba Auerbach mit dem Ziel gegründet, ihren eigenen Experimenten in den Bereichen Typografie, Buchgestaltung und -produktion sowie Angewandte Kunst kontinuierlich größeren Raum zu geben. Schrift-Nerds dürfte hier angesichts des innovativen Einsatzes von Layout, Typografie und Buchgestaltung das Wasser im Mund zusammen laufen. Das Spektrum der präsentierten Artefakte reicht von Büchern, Kalendern, Plakaten und Fahnen über Accessoires und Schmuck bis hin zu Spielzeug, womit wir wieder beim eingangs erwähnten Pre-Opening für Kinder wären, einer weiteren großartigen Idee der ohnehin optimalen Kunstvermittlung im Fridericianum unter der Leitung von Alena Nawrotzki.

Bisher sehr selten, aber künftig hoffentlich immer häufiger in Ausstellungen: Besucher dürfen Artefakte in die Hand nehmen und Gegenstände ausdrücklich „ausprobieren“. (Model: Sonja Rossettini😀🙏)

Aber nicht nur Kinder, und da folgt die Ausstellung einem Trend, der seit der documenta fifteen weltweit immer populärer wird, alle Besucher sind ausdrücklich eingeladen, die ‚Drucksachen‘ und Gebrauchsgegenstände ‚händisch‘ zu erforschen, auszuprobieren und darüber auch mit anderen Besuchern in Kontakt zu treten.

Perspektiven

Unser Fazit: Spätestens zur Mitte dieses Jahrhunderts wird Tauba Auerbachs Werk in Retrospektiven auf der ganzen Welt zu sehen sein, und sie als eine der bedeutendsten Künstlerinnen ihrer Zeit gefeiert werden (wird sie ja heute schon), die auf philosophische und originelle Art aufzeigte, wie Wissenschaft, Technologie und Kunst ineinandergreifen können.

Auch von Tauba Auerbach gestaltete Schallplattencover sind im Fridericianum ausgestellt

Wir bedanken uns bei Luise von Nobbe, die als kuratorische Mitarbeiterin im Fridericianum die Ausstellung in enger Zusammenarbeit mit der Künstlerin und dem Studio Auerbach in New York auf die Beine gestellt und uns eine großartige „Vor-Führung“ gegeben hat.

Was die Position von Moritz Wesseler (interessantes Interview unter welt-kunst-kassel.de) betrifft, so wird die Frage, ob man dem international bestens vernetzten Direktor des Fridericianums auch die Leitung einer documenta anvertrauen sollte, erneut gestellt werden müssen. (Fotos: Ditzel)