Now Reading
Glinicke: Vom Autohaus zum Mobilitätskonzern

Glinicke: Vom Autohaus zum Mobilitätskonzern

Als Hans Glinicke sich am 1. April 1930 selbstständig machte, gründete er eine kleine Autofirma im Kasseler Westen. Das Geschäftsmodell war klar und simpel:
Autos verkaufen – und reparieren.

Nach 91 Jahren Firmengeschichte verkauft man bei Glinicke natürlich immer noch Autos – allerdings ist aus dem Autohändler ein Konzern geworden, der Mobilität im breitesten Spektrum anbietet. Und so würde Hans Glinicke mächtig staunen, sähe er das, was aus den Anfängen geworden ist. Denn dass Glinicke mal Fahrräder vertreibt, hätte ihn sicher überrascht.

Neue Geschäftsfelder

Die Zukunft ist jetzt

Genau das macht der Konzern aber – in seinem E-Bike-Store im Königstor. Der Grund liegt auf der Hand, meint Alexander Kropf, Mitglied der Geschäftsführung der Glinicke-Gruppe und Marketingleiter. 

Wer seinen Kunden Mobilitätsangebote macht, kommt an diesem Marktsegment nicht vorbei. Ganz neu ist das Thema ohnehin nicht, denn die konzerneigene Leasinggesellschaft Digital Mobility Leasing hat für Unternehmen, die E-Bike-Leasing anbieten, auch schon in der Vergangenheit das Leasinggeschäft betrieben. Nun schließt Glinicke durch den eigenen Vertrieb also die Lücke zwischen Kunde und Finanzierung.

Der Wandel hat die Branche voll erfasst – und wer glaubt, dass die zunehmende Nachfrage nach E-Autos beim Händler einfach nur eine Ergänzung der Modellpalette ist, der irrt. Beispiel Firmenwagen: So manches Unternehmen betreibt für seine Mitarbeiter im Vertrieb oder in Führungsetagen eine Dienstwagenflotte. Die man jetzt umrüsten will auf Elektroantrieb. Diese Umstellung erweist sich vermutlich aufwändiger als angenommen. Die Firmen brauchen Beratung – auch mit Blick auf den anfallenden Bedarf an Ladestationen und den daraus resultierenden Kosten. Wieviel Sprit sein Auto verbraucht, das weiß jeder Autofahrer. Aber wie sieht das mit dem Stromverbrauch auf 100 Kilometer aus? Und wie verlässlich ist das Netz an Ladestationen?

Dass dies stets besser wird, auch dafür sorgt die Glinicke-Firmengruppe selbst. 59 Ladestationen mit 102 Ladepunkten wurden mittlerweile eingerichtet. Fünf Millionen Euro ließ sich das Unternehmen den Service für die E-Mobil-Kunden kosten. Tendenz steigend. Auch deshalb, weil der Anteil von Fahrzeugen mit Elektroantrieb steigt. Fast ein Drittel der Fahrzeuge, die Glinicke an die Kunden ausliefert, haben E-Antrieb. Wobei es regionale Unterschiede bei der Nachfrage nach genau diesen Produkten gibt, sagt Kropf.

Glinicke muss es wissen, denn das Unternehmen ist an 26 Standorten in vier Bundesländern (Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Thüringen) am Start.

Mobilität für die Kunden gewährleisten, das erfordert in mancher Hinsicht ein Überdenken der alten Geschäftsmodelle. Der Normalfall: Man kauft oder least ein Auto, fährt das eine bestimmte Zeit – und erwirbt ein neues. Was aber mit jenen Zeitgenossen, die von Mai bis Oktober mit dem Rad fahren wollen und ein Auto nur für die kalte Jahreszeit brauchen? Glinicke löst das Ganze mit Auto-Abos. Ab 199 Euro im Monat gibt es einen VW Up mit E-Antrieb. Im Preis ist alles drin, Rate, Strom, Versicherung, Steuer. Kilometerbegrenzung: 1000 km im Monat. Mobilität für die Kunden – das ist eben heute nicht mehr die Lösung mit einem Produkt, sondern es kommt auf die sinnvolle Kombination für den Einzelnen an.

Ganz nebenbei hat sich parallel auch ein anderes Standbein entwickelt, das allerdings zum Thema E-Mobilität nicht so recht passen will: Classic Cars – im Standort an der Ochshäuser Straße stehen über 300 Oldtimer, vorwiegend Porsche, die entweder schon restauriert sind oder nach Kundenwunsch restauriert werden. Die Nachfrage ist groß – denn in Zeiten, in denen Zinserträge nur spärlich möglich sind, steckt mancher sein Erspartes in einen Oldtimer – und freut sich über eine satte Rendite, wenn das Auto nach Jahren (natürlich ohne Schäden) verkauft wird.

All die neuen Geschäftsfelder bedeuten natürlich auch neue Herausforderungen für das Personal. Jüngst wurden 72 neue Auszubildende begrüßt. Mancher von ihnen landet in einem Talentpool, in dem Glinicke den eigenen Führungsnachwuchs ausbildet.