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Uni Kassel: Dynamo für die Region

Uni Kassel: Dynamo für die Region

Am Anfang war ein anderes Wort. Als die Uni Kassel 1971 ihren Lehrbetrieb aufnahm, hieß sie noch Gesamthochschule Kassel. Was sperrig klingt, machte inhaltlich durchaus Sinn: Denn die neue Hochschule integrierte bereits vorhandene Studiengänge in der Stadt – wie die Hochschule für Bildende Künste, das Pädagogische Fachinstitut, die Ingenieurschule sowie die Höhere Wirtschaftsfachschule. Was blieb, waren noch die verschiedenen Standorte – beispielsweise in der Menzelstraße, an der Wilhelmshöher Allee.

Uni Kassel – Der Wandel wird 50

Ein Gespräch mit der neuen Präsidentin der Universität Kassel, Prof. Dr. Ute Clement

Ein halbes Jahrhundert später ist die Uni (2002 wurde die Gesamthochschule in Universität umbenannt) eine Einrichtung geworden, die die Stadt nachhaltig prägt. Auch baulich. Denn der Campus am Holländischen Platz auf dem Gelände der früheren Fabriken von Henschel und Gottschalk, dessen Ausbau noch nicht abgeschlossen ist, stellt ein imposantes modernes Universitätsgelände dar.

Und auch die Zahlen sprechen für sich. Im Wintersemester 2020/21 waren 24.607 Studierende eingeschrieben, 3276 davon waren Ausländer. Ein Indiz, dass die Uni Kassel mittlerweile durchaus eine internationale Anziehungskraft hat. Die Uni bietet 142 Studiengänge an, 295 Professoren lehren und forschen an der Uni, mit 3333 Mitarbeitern zählt die Uni zu den größten Arbeitgebern in Kassel. 

Das Haushaltsvolumen der Hochschule belief sich 2020 auf 322.083.296 Euro.

Die Gründungspräsidentin der Hochschule wurde die Landtagsabgeordnete Vera Rüdiger (bis 1975). Im Jahr des 50. Geburtstages der Uni wechselt das Präsidentenamt von Professor Dr. Reiner Finkeldey zu Professorin Dr. Ute Clement.

Prof. Dr. Ute Clement
Sie wurde 1964 in Wilhelmshaven geboren. Von Lateinamerika aus studierte sie an der Fernuniversität Hagen Erziehungswissenschaften mit dem Schwerpunkt Berufspädagogik. Seit 2003 hat sie eine Professur für Berufs- und Wirtschaftspädagogik an der Universität Kassel. Ihre Forschungsschwerpunkte sind internationale Berufsbildungsforschung, insbesondere zu Lateinamerika, Berufsbildung und Armutsbekämpfung, Gestaltung von Ausbildungsbeziehungen in Betrieb und Schule sowie Bildungsmanagement.

Seit 2015 ist Clement Vizepräsidentin der Universität Kassel, zuständig unter anderem für die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Sie ist zudem Gründungsvorsitzende des entstehenden Zentrums für Nachhaltige Entwicklung und Transformationen der Universität Kassel. Im Januar wurde Clement zur Nachfolgerin von Reiner Finkeldey gewählt. Sie tritt das Amt am 1. Oktober an.

Mein Kassel: Die Uni Kassel feiert 50-jähriges Bestehen, Sie selbst sind seit 2003 dabei. Wie dynamisch hat sich die Hochschule aus Ihrer Sicht entwickelt, wie stark war der Wandel
Clement: Ich denke schon, dass sie sich dynamischer entwickelt hat als andere Hochschulen – das zeigt ja auch die Zahl der Studierenden. Damals waren es 18.000, jetzt sind es um die 25.000.

Was natürlich auch mit der Grenzöffnung direkt zu tun hat.
Natürlich. Kassel liegt seitdem im Zentrum Europas.

Und wie wird sich die Uni weiter entwickeln?
Noch dynamischer. Wir haben derzeit etwa 300 Professuren, in den nächsten Jahren werden rund 40 dazu kommen.

In welchen Fachbereichen?
Ein großer Schwerpunkt unserer künftigen Arbeit werden die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen sein. 17 Ziele gibt es, 17 Professuren werden dafür geschaffen. Wobei das Thema Nachhaltigkeit schon jetzt ein bedeutender Faktor in unserer Hochschularbeit ist.

Anders als an anderen Unis?
Dadurch, dass wir über Fachdisziplinen hinweg kooperieren, können wir das anders und besser als viele andere.

Studierende brauchen ein lebendiges Studium.

Wie muss man sich das denn inhaltlich vorstellen – Nachhaltigkeit beispielsweise im Fach Germanistik. Wie arbeitet der Grimm-Professor nachhaltig?
Das muss ja nicht jeder im selben Umfang machen, aber natürlich geht es auch in der Germanistik um Nachhaltigkeit.

Ein Beispiel?
Wie beeinflusst Sprache das Zusammenleben von Menschen? Werden durch Sprache soziale Grenzen gezogen, Ungleichgewichte geschaffen? Da gibt es viele Fragen …

… gut, aber noch mal zurück zu den 17 Professuren. Wie sieht denn dann so ein Abschluss aus, was studiert man?
Das wissen wir noch nicht bis ins Detail. Aber wir wollen etwa zehn neue Studiengänge schaffen. Durch den Nachhaltigkeitsschwerpunkt dauert ein Bachelor dann möglicherweise länger – zum Beispiel acht statt sechs Semester.

Und wann geht’s los?
Wir haben jetzt vier Professuren international ausgeschrieben – Schwerpunkte Technik, Gesellschaft, Kultur und Natur. Wenn drei von vier vergeben sind, dann geht es richtig los. 

50 Jahre Uni – der nächste Blick nach vorn. Wird die Zahl der Studierenden weiter steigen? 
Davon gehe ich wegen der demografischen Entwicklung im Land nicht aus. Wäre schon ein Erfolg, wenn wir die Zahlen in etwa stabil halten könnten.

Der Campus wächst baulich weiter – dabei haben durch Corona digitale Konferenzen, digitales Lernen etc. Hochkonjunktur erlebt. Braucht man all die schönen Gebäude noch?
Wir wollen und müssen wieder Präsenzveranstaltungen anbieten – also ja. Bildung lebt von Präsenz. Und Studierende brauchen ein lebendiges Studium – und nicht nur digitale Erlebnisse im Studentenleben