Das Ziel ist klar definiert und absolut ambitioniert: Bis 2039 will Daimler Truck in allen Werken und Geschäftsbereichen eine CO2-neutrale Produktion umgesetzt haben. Die europäischen Werke sind dabei bereits seit 2022 CO2-neutral – auch durch den Bezug von Strom aus Solar-, Wind- und Wasserkraft.
Das Mercedes-Benz Werk Kassel wurde 1969 als „Hanomag-Henschel-Fahrzeugwerke GmbH“ gegründet und fertigt unter anderem seit über 50 Jahren Achsen für Nutzfahrzeuge. Es ist das globale Kompetenzzentrum für elektrische Antriebssysteme und konventionelle Nutzfahrzeugachsen von Daimler Truck.
Das zugehörige InnoLab für E-Antriebssysteme am Standort gestaltet aktiv die Zukunft der lokal CO2-neutralen Fahrzeuge. In zukunftsweisenden Produktionsverfahren fertigen die rund 2.700 Mitarbeiter unter anderem Achsen für Lkw, Busse, Transporter und Pkw sowie Gelenkwellen und Radsätze.
Für eine klimafreundliche und zukunftsorientierte Produktion ist im Werk unter anderem eine komplette Halle mit zwei Montageanlagen in Betrieb, die ihre gesamte Energie aus Photovoltaik-Anlagen auf dem Hallendach bezieht. Der Standort in Kassel ist eines der größten Nutzfahrzeug-Achsenwerke Europas und der größte industrielle Arbeitgeber der Stadt.
„MEIN KASSEL“ sprach mit dem Standortverantwortlichen, Prof. Dr. Frank Lehmann, über die Nachhaltigkeitspläne des Unternehmens.
Mein Kassel: In den Mercedes Benz-Werken Wörth, Gaggenau, Mannheim und natürlich im Werk Kassel hat im vergangenen Herbst die Montage neuer Photovoltaik-Anlagen begonnen. Wie weit ist dies abgeschlossen und wie nachhaltig ist der Standort Kassel insgesamt bereits aufgestellt?
Lehmann: Zunächst einmal möchte ich sagen, dass das Thema Eigenversorgung eines ist, das bei uns schon seit Jahren eine große Rolle spielt. Wir haben beispielsweise im Jahr 2019 beim Bau einer neuen Halle auf dem Dach eine 4.000 Quadratmeter große Photovoltaik-Anlage installiert, die die Halle mit Strom versorgt. Die jetzt laufenden Arbeiten an weiteren Projekten sollen bis Mai dieses Jahres abgeschlossen sein.
4.000 Quadratmeter – das ist dann schon eine größere Fläche als ein halbes normales Fußballfeld! Von welcher Energieerzeugung gehen Sie bei den neuen Anlagen aus?
Mit den drei Photovoltaik-Anlagen, verteilt auf drei Hallendächer, können wir im Jahr dann 1.850 Megawattstunden Strom erzeugen. Das entspricht der Energiemenge, die 600 Drei-Personen-Haushalte im Jahr benötigen. Die Module haben eine Gesamtfläche von über 19.000 Quadratmetern. Darüber hinaus reduzieren wir unseren CO2-Ausstoß jährlich um etwa 1.200 Tonnen.
Welchen Anteil am gesamten Stromverbrauch des Werkes hat die so erzeugte Energie?
Wir decken damit zwei Prozent unseres Stromverbrauchs ab. Zudem werden wir in diesem Jahr zusätzliche Photovoltaik-Anlagen auf einigen anderen, kleineren Hallendächern installieren.
Ein Werk wie dieses zunehmend nachhaltig zu betreiben bedeutet ja sicher auch, andere Arbeitsbereiche als nur die Produktion kritisch zu hinterfragen. Gibt es also weitere Maßnahmen?
Ja, natürlich. Wir haben beispielsweise 99 Prozent unserer Beleuchtung auf LED-Technik umgerüstet. Um zusätzlich Energie zu sparen, haben wir darüber hinaus die Schaltzeit von Beleuchtungs- und Lüftungsanlagen optimiert. Im Werk gibt es zudem eigene Energie- und Umweltmanagement-Teams und wir veröffentlichen jährlich eine Umwelterklärung, die sozusagen ein Grundbekenntnis zu nachhaltigem Tun für Management und Belegschaft ist.
Nun haben wir hier eine große Universität, an der schon von Haus aus viel Kompetenz in diesen Themenbereichen vorhanden sein müsste.
Das ist so und wir freuen uns sehr, dass wir mit der Universität Kassel kooperieren können. Gemeinsam mit dem Fachgebiet „Umweltgerechte Produkte und Prozesse“ erarbeiten wir kontinuierlich Maßnahmen und Strategien, um die Energieeffizienz im Werk zu erhöhen.
Industrie und Umwelt – das sind zwei Begriffe, die nicht zwingend gegensätzlich sein müssen …
Genau. Es wird viele Außenstehende überraschen: Aber wir haben auf dem Werksgelände Bienenstöcke und Insektenhotels, haben eine etwa 1.500 Quadratmeter große Wildblumenwiese und sogar ein Eidechsenhabitat.
Prof. Dr.-Ing. Frank H. Lehmann (Jahrgang 1961) leitet seit 01.12.2017 das Mercedes-Benz-Werk in Kassel. Lehmann wurde in Hoya geboren, studierte Maschinenbau an der RWTH Aachen und ist seit 1996 im Konzern. Lehmann ist verheiratet, leidenschaftlicher Segler und Läufer, Mitglied im Klimaschutzrat der Stadt Kassel sowie Inhaber einer Honorar-Professur für „Manufacturing Engineering of Commercial Vehicles“ an der Technischen Universität Kaiserslautern.