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Wie viele Betten hat das Kino?

Wie viele Betten hat das Kino?

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So mancher Kinochef, mit dieser Frage konfrontiert, würde dem Fragesteller einen Vogel zeigen oder ihn für unzurechnungsfähig halten. David Omland antwortet: „14.“

Der Theaterleiter des Kasseler filmpalastes hat tatsächlich in zwei der 15 Kinosäle im filmpalast an der Kasseler Kreuzung „Trompete“ jeweils sieben Betten – in der hintersten Reihe. Kinogenuss in Perfektion, besser als daheim auf dem Sofa beim Heimkino. 

Die Betten – nur ein Teilaspekt dessen, was bei der Renovierung des Kinos als Ergebnis zu bestaunen ist. Die einzelnen Kinosäle bieten unterschiedliche Erlebniswelten, außerhalb der Kinos setzt Omland, wie die gesamte, 14 Häuser umfassende filmpalast-Gruppe, darauf, den Kunden mehr als Filmerlebnis zu bieten. „Kino muss sich wandeln“, sagt Omland. Der Ort müsse so attraktiv sein, dass man als Kinogänger mehr Zeit als nur für den Film erforderlich in dem Haus verbringen möchte. Und gleichzeitig will der filmpalast attraktiv sein für Kunden, die beispielsweise nur auf einen Drink hereinschauen. Ziel in dem Fall: die Kaskade Bar, die von Angebot und Ambiente prädestiniert ist, eine Perle im Kasseler Nachtleben zu werden. Kaskade? Ältere Kasseler Kinogänger horchen auf: Da war doch was? Richtig, das „Kaskade“ am Königsplatz mit seinen Wasserspielen war über Jahrzehnte das Kino überhaupt in Kassel. Und es erlebt, unter demselben Namen, in einem der Säle des filmpalasts eine Renaissance. Doch dazu gleich mehr. 

Wie beschreibt man ein Kino, das an High-Tech und Komfort so viel zu bieten hat?

David Omland lädt zum Rundgang ein – wie sich herausstellen wird, ist es einer mit mancherlei Wow-Effekten. Los geht es in Saal zwölf im Erdgeschoss. Und das ist die neue „Kaskade“. 136 Plätze. Wer sich vorher ein Getränk geholt hat – hier gibt es die Gläser neben den Plätzen. Und natürlich Wasserspiele. Völlig neu konzipiert – mit Show auf der Leinwand und einer zur Show farblich variierenden, beleuchteten goldenen Decke.

Beim Gang durch Bar und Foyer wird im Vergleich zum Vorgänger-Kino absolut deutlich: Was früher wie eine Bahnhofshalle wirkte, hat heute hohe Aufenthaltsqualität, ist einladend, die Bar richtig gemütlich.

Letzteres trifft auch auf die Kinosäle zu. Von denen gibt es im Erdgeschoss sieben. Darunter die beiden kleinsten mit jeweils 31 Plätzen. „Viele Säle zu haben hat den Vorteil, dass man manche Filme länger laufen lassen kann“, sagt der Theaterleiter. Die beiden kleinen Säle, da hat man besondere Pläne. „Warum nicht mal eine türkische Reihe laufen lassen?“ – das ist so ein Gedanke. Apropos Filme in fremden Sprachen: Die laufen derzeit schon als Originalversion, also im Originalton. Die beiden kleinen Kinos – man kann sie auch privat anmieten. Für eine kleine Geburtstagsfeier, für eine Betriebsveranstaltung – der Fantasie sind keine engen Grenzen gesetzt. 

Das „lichtspielchen“ mit XXL-Sitzsäcken und Rutsche.

© Inka Englisch

Was man heute an Kino bieten kann, das zeigt in einigen Sälen das Tonsystem Dolby Atmos – auch mit besonderen Saaleffekten. Fliegt im Film gerade ein Vogel herum, suggeriert das Tonsystem mittels der auch rundherum und an der Decke angebrachten Lautsprecher die Fluggeräusche, verkürzt formuliert: Man hat als Kinobesucher den Eindruck, der Vogel fliege im Saal herum. Hebt ein Flugzeug ab, hört man das Flugzeug über einen hinwegfliegen. Auch hier wird das System in einem Trailer vor dem Film vorgestellt. Dolby Atmos nennt sich dieses objektbasierte Surround-Soundformat.

Technik ist das eine – Komfort beim Zuschauen das andere. 

Insgesamt gibt es sechs verschiedene Sitzplatzkategorien – vom Designersessel über elektrisch verstellbare Liegesessel mit einer Ablage, auf der man während des Films mit Induktionsverfahren sein Handy aufladen kann, bis hin zu den Liegesofas mit breiter Liegefläche. Den 14 Betten eben. 

Richtig rund kann es gehen im Saal 6: 4DX heißt eine aus Korea kommende Technik. Und die bewirkt, dass man als Zuschauer mitten drin ist im Geschehen. Rummst es im Film, kann sich der Sessel bewegen, bis zu zehn Zentimeter. Gibt es im Film ein Feuer, weht einem warme Luft um die Nase. Sprühnebel, Wassertropfen, Luftstöße – bis zu 25 verschiedene Effekte bietet die Technik an. Hier laufen, so Omland, natürlich viele Action- und Sciencefiction-Filme. 

Nächstes technisches Highlight in Saal 5: ScreenX heißt er – gemeint ist, dass die Leinwand besonders groß ist. Bei bestimmten Szenen im Film werden die Seitenwände zur Projektionsfläche. Schwingt sich Spiderman über die Leinwand, erscheinen plötzlich, Computeranimation macht es möglich, verlängerte Häuserreihen, Stadtlandschaften links und rechts. 270-Grad-Leinwand – nur die Rückwand ist leinwandfrei.

Der große IMAX Saal bietet Platz für 355 Gäste.

© Inka Englisch

Die größte Leinwand in Nordhessen.

Der größte Saal, IMAX, hat die größte Leinwand und auch die meisten Plätze. 355 sind es, die Leinwand ist über 18 Meter breit und fast zehn Meter hoch. 

Nicht nur dieser große Kinosaal, auch andere sind nach Meinung Omlands geeignet, hier mal eine Filmpremiere stattfinden zu lassen. Positive Signale von Verleihern habe es bereits gegeben, die Reaktionen, was die Location betrifft, seien extrem positiv gewesen. 

Im ersten Stock befindet sich das sogenannte „lichtspielchen“ – ein bunter Bereich mit eigenem Kinosaal – extra für Familien und Kinder. Hier können beispielsweise Kindergeburtstage gefeiert werden; im Anschluss daran lümmelt man sich im Kinosaal in die gemütlichen XXL-Sitzsäcke oder verkürzt sich dank der saaleigenen Rutsche die Wartezeit bis zum Film.

Die Kinosäle haben alle eine andere Optik, von der „Bibliothek“ bis „Hello Kassel“, wo man an den Wänden die Sehenswürdigkeiten der Stadt abgebildet findet.

David Omland und sein mittlerweile 80 Mitarbeiter umfassendes Team sind stolz auf den filmpalast. Der zehn Millionen teure Umbau – 

er hat es mittlerweile zu internationalem Ruhm geschafft. Im Rahmen der Messe CineEurope in Barcelona bekam das Haus den Preis „Best Cinema Refurbishment (Renovierung, d. Red.) of the Year“ von der ICTA (International Cinema Technology Association) überreicht. 

Heißt: Kassel hat das modernste Kino Europas. Nicht mehr – und nicht weniger.